HISTORIA BREMVM - Die Geschichte(n) der Ortsgemeinde Bremm an der Mosel
Von der früheren Weiberfastnacht in Bremm
    von Franz Josef Blümling
Fastnachtszug an der ehemaligen Schreinerei Matthias Gräfen vorbei , Schuppen von Theo Lehnen, Häuser Nikolaus Kranz u. Karl-Heinz Cott
Fastnacht 1956, Quelle: Maria Schlägel, Bremm
Weitere historische Fotos finden Sie im
Alten Fotoalbum von Bremm an der Mosel
Ein sonderbarer Zug zieht durch das sonst so stille Moseldörfchen. Der Jude Aron, der Unglücksrabe, der Linksbeiner, der Tanzlehrer und Gemeindehäusler, gibt mit seiner Fiedel den Ton an. Lauter Weiber folgen ihm im komischem Gleichschritt. Junge und alte, einige im Sonntagsstaat, andere mit Narrenkappen auf den Köpfen und mit bunten grellfarbigen Tüchern und Bändern geschmückt. So ziehen sie daher. Sie lachen und necken! Ja, heute ist ihr Tag. Heute wollen sie Fastnacht feiern. Die zwei vorhergehenden Tage waren für die Männer und für die Jugend. Der heutige Fastnachtdienstag ist nur für die verheirateten Frauen. Eine Ledige darf nicht teilnehmen. Heute trinken sie eine Ohm (189 Liter) Wein. Das ist Usus und hat kirchliche Tradition!

Krankheit gibt es heute nicht. Manches Weiblein, das von Reißen und Zipperlein geplagt ist, schreitet so leicht dahin, als gäbe es weder Hexenschuss noch sonstige Gebrechen. Mögen auch die Kinder zu Hause schreien. Dreihundertvierundsechzig Tage im Jahre müssen sie die Kinder hüten, kochen, putzen und flicken. Nun kann wenigstens an einem Tage die Rollen vertauscht sein. Heute können die Männer die Kinder halten, Wiegen schaukeln und die Kleinen mit Milchsüpplein füttern.

Immer größer wird der Zug. Eine wehrhafte Huldin, die Hampitts Liss, schreitet wie eine Amazone vorn voran und schwenkt stolz die Weiberfahne.

Vor jedem Hause, in der eine junge Frau wohnt, die seit dem letzten Fastnacht vermeiert (ihr eingebrachtes Vermögen mit dem des Ehemannes verschmolzen hat) und unter die Haube gekommen ist, wird Halt gemacht. Die junge Frau wird herausgerufen, tritt ein in die Reihen und zieht mit, im Arm einen mächtigen Henkelkorb gefüllt mit Bäckereien. So wird jede junge Frau abgeholt. Das dauert recht lange, wenn, wie in diesem Jahre, viele Eheschließungen stattgefunden haben.

Der Zug geht zum Tanzsaal. Dort liegt das Fässchen mit dem edlen Saft und harrt der Zecherinnen. Daneben steht breitbeinig der Franz, der Flurschütz, angetan mit der blauen Schürze. Den Zapfen schlägt er ein. Streicht sich den langen Bart und probiert mit Kennermiene den „Rieslingstee“.

Während das Liss die Fahne durch ein Fenster steckt, nehmen die anderen Frauen Platz, jede an ihrem Tisch, denn in sechs Tischen ist der Ort eingeteilt. Vorn nimmt die Mariann in komisch ernsthafter Pose Aufstellung, mit der Rechten einen mächtigen Hausschlüssel schwingend. Neben sie pflanzt sich die Gritt mit Palmbüschel und einem kleinen Eimer voll mit Wasser auf.

Jede junge Frau tritt vor die Mariann, die ihr mit dem Schlüssel auf den Kopf tupft, als Zeichen dafür, dass sie im Hause dasselbe Recht hat wie der Mann. Hierauf taucht die Gritt den Wedel in das Wasser und besprengt sie damit. Zudem wurde ihr noch ein Strauß geschenkt, und nun ist die junge Frau vollwertig den älteren und hat ein Anrecht, in jedem Jahre an Umzug und Gelage teilzunehmen. Sie war aufgenommen, die Junge, in den Kreis der Leidens-, der Zechgenossinnen. Als die Ammi, eine stille, anmutige junge Frau, an die Reihe kommt und den Blondkopf zum Schlüsselschlag neigt, blitzt es auf in Mariann’s Augen. Ammi hatte nach ihrer Meinung ihrer Jüngsten den Schatz weggeschnappt. Nun soll die „wat extras“ haben. Fest tupft sie auf den Scheitel, sodass sich der Blondkopf duckt vor Schmerz. Doch niemand wagt eine Einwendung, zu sehr fürchtet man Mariann’s scharfe, rücksichtslose Beredsamkeit.

  Dann hebt das Zechen an. Es wird wahrhaft „mannhaft“ getrunken. Franz, der Langbart, hat viel zu zapfen. Er schenkt aus in Zinnkrügen. Die jungen Frauen verteilen ihre Weck. Ist aber eine Base (gemeint ist eine ältere unverheiratete Frau) darunter, so erhält die einen großen Weck mit Zucker bestreut; dabei herrscht frohes Geplauder. Immer lebhafter wird das, immer lauter. Der „Oktobertee“ wirkt, macht die Zunge noch geschwätziger. Oh, da schwirrt es von Geplapper und Tuscheln und Kichern und Lachen. Am ganzen obern und untern Gestade des Ortes hört man es, zum Grauen der Männer. Und dann wird Narretei getrieben. Es bilden sie Paare. Getanzt wird Walzer und Polka. Schneller wird der Tanz, wilder die Sprünge! Ein Hexentanz!

Wehe dem Manne, der es wagt, den Saal zu betreten! Von allen Weibern wird er überfallen; sämtlichen Knöpfe am Anzug werden ihm abgeschnitten. Er wird mit Püffen und Stößen unter Spott und Gelächter hinausgetanzt. Kein Hosenbein durfte sich sehen lassen! Nur der Franz, der Schenke, und mit ihm der Musikant, der Jude Aron, dürfen bleiben. Spät wird es, wenn die Schönen sich trennen und ihren Ehegespons, der ermüdet sein Pfeifchen im stillen Winkel der Stube raucht, aufsuchen. Hatte er doch im Keller den Neuen von der Hefe genommen - was hätte er auch heute sonst tun sollen?

Mit der Weinlieferung hat es folgende Bewandtnis: Auf manchen Ländereien in Bremm ruhte der Mostzins, der dem Pfarrer und dem Küster jedes Jahr geliefert werden musste. Dabei kam es den Winzern oft auf einige Maß mehr nicht an, so dass das Liefersoll meist überschritten wurde. Dieser Überschuss wurde auf einen Ohm festgelegt, den anfangs die Männer zur Arbeit in der Lohhecke erhielten. Die Frauen beschwerten sich. Hatten sie doch mit dem Haushalt und allem drum herum auch ihre Mühe und Arbeit! Die Männer gingen zudem das ganze Jahr über ins Wirtshaus. Zudem steigerte der Wein nicht unbedingt den Tatendrang in der Lohhecke. Sie, die Frauen, wollten den Ohm Wein haben und bekamen ihn schließlich auch zugestanden, und den genehmigten sie sich regelmäßig am Fastnachtsdienstag.

Die Bremmer Weiberfastnacht wurde zur Tradition, die allmählich auswuchs. Als die Mostlieferung durch eine einmalige Abfindungssumme abgelöst wurde, zahlte die Kirche noch eine Zeit lang zur Fastnacht etwa 6 Taler. Da ein rechtlicher Anspruch auf diese Zahlung jedoch nicht bestand, wurde schließlich die Auszahlung eingestellt. Die Fastnachtsfeier der Frauen hörte aber keineswegs ganz auf. Man verlegte die Feier ins Wirtshaus.

Fastnachtsmontags von vier bis sieben Uhr (am Nachmittag) tanzten nur die Frauen, erst am Abend kamen die Männer, Jünglinge und Jungfrauen.

So überliefert im Jahr 1922 vom Hauptschullehrer Nikolay.

Literaturquelle(n)
Ludwig Mathar   Die Mosel
Nikolay, Hauptlehrer   „Kur-Trier“, Jahrgang 1922, Band/Heft 6
 
Bildquelle(n)
Rainer Pellenz   Das Alte Fotoalbum von Bremm
     
     
 
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Dieser Beitrag wurde verfasst von Franz Josef Blümling   Korrekturdatum:
Eventuelle Korrekturhinweise bitte an info@naves-historia.de   27.06.2009 RP
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