Als am 8.
Mai 1945 der langjähriger und blutige
Krieg zu Ende ging, bestand eine
allgemeine große Warennot. Es bildete
sich der Schwarzhandel mit schlimmen
Folgen. Aus den Moseldörfern fuhren
täglich einige Tausend Menschen in
zumeist überfüllten Zügen mit Wein in
das englische Gebiet um Brot, Schuhe,
Stoffe und Haushaltsgeräte zu tauschen. Das
Geld hatte nur noch einen Wert für Waren,
die es gegen Lebensmittel-Karten gab, und
das war nicht viel. Man unterschied
Selbstversorger, Teilselbstversorger und
Normalverbraucher. Die Zuteilung an Brot
betrug pro Tag 200 Gramm. Drei Zentner
Kartoffeln gab es je Person für das Jahr.
Was fehlte, war besonders Fett und andere
kalorienhaltige Nahrungsmittel.
Ein Weinbergsarbeiter bekam
durchschnittlich fünf Flaschen Wein pro
Tag, eine Frau drei bis vier Flaschen.
Oft wurde auch das Mittagessen gestellt.
Vier Heringe kosteten eine Flasche Wein;
für ein Paar Schuhe musste man 30
40 Flaschen hergeben. Einen Zentner
Kartoffeln bekam man für acht Flaschen.
Eine Flasche Wein wurde im Schwarzhandel
mit 40 50 Mark bezahlt. Von einem
Lehrergehalt für zwei bis drei Monate
bekam man ein Paar Arbeitsschuhe (700 bis
800 Mark). Ein Familienvater beklagte,
dass er für seine drei Kinder schon seit
sieben Jahren keine Schuhe und Kleider
mehr kaufen konnte. Was man brauchte,
musste man sich schwarz besorgen
also auf unerlaubte Weise.
Wichtig war es für jede Familie,
Getreide zu haben, um es zu Mehl mahlen
zu lassen, womit dann lebensnotwendiges
Brot gebacken wurde. So fuhren die
Bremmer Winzer mit einem Rucksack voll
Flaschenwein vom Bahnhof Eller aus mit
dem Zug nach Kattenes. Von dort ging es
bergan zu den Bauernhöfen in der Eifel.
Für acht bis neun Flaschen Wein bekam
man dort einen halben Zentner Getreide.
Im Winter 1945 / 46 lag viel Schnee. Dann
wurde der vollgepackte Rucksack sowohl
hin nach Eller, als auch am Abend von
dort zurück nach Bremm mit einem
Schlitten transportiert, was viel Kraft
ersparte.
Es wurde auch Getreide auf den
Moselhöhen gesät und geerntet. Wenn
sich eine genügende Menge angesammelt
hatte, wurde eine Handkarre beladen, die
mit einem Trupp nahestehender Leute per
Seil zur Springiersbacher Mehl-Mühle bei
Bengel gezogen wurde.
Die Straßenbrücke hinter Höllental
war noch zerstört. Nur ein schmaler
Holzsteg führte über den Alfbach. Also
musste man die Karre entladen, die Säcke
über den Steg tragen und schließlich
wieder aufladen.
Das leere Fuhrwerk zog man durch den
Bach. In etwa fünf Stunden hatte man
endlich die etwa 20 km weite Strecke
bewältigt. Nicht selten schmerzte die
Schulter. Das Seil hatte sie dann vom
ständigen Ziehen aufgekratzt.
Konnte man nunmehr endlich das Mehl
aufladen, erfolgte die gleiche Prozedur
auf der Heimfahrt. Wenn man endlich zu
Hause ankam, war es in aller Regel schon
dunkel. Eine Laterne hatte man bei einem
solchen Transport immer dabei zu haben.
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Im Sommer
1946 wurde der Bahnverkehr wieder
aufgenommen. Da aber die Brücke in Eller
noch nicht wieder hergestellt war,
mussten die Reisenden den Weg über Bremm
zu Fuß machen, um den Anschluss nach
Koblenz in Eller oder in Neef nach Trier
zu erreichen. In Neef ging es mit der
Moseltalbahn durch das ganze Moseltal
nach Trier, da auch die Brücke in Bullay
zerstört war. Es gab also zwischen Neef
und Eller keine Eisenbahnverbindung mehr. Verschiedene
Lastautos aus der Umgegend und ein
kleines Motorboot, das in Neef an der
Fährrampe ankerte, gaben den Reisenden
Erleichterung und transportierten das
Gepäck zwischen den beiden Dörfern.
Längst nicht immer standen aber diese
motorisierten Gefährte bereit. So
versammelten sich an den Bahnhöfen in
Neef und Eller stets eine Anzahl von
Frauen, Kinder und Jugendliche, die mit
Karren oder Leiterwagen um einen Gepäck-Transport
durch den Bremmer Calmont warben
und das für einen recht niedrigen Preis
in Reichsmark. Wenn ein Zug ankam, gab es
immer eine hektische und lautstarke
Betriebsamkeit. Jeder
Transporteur wollten einen
Auftrag haben. Jeder hörte all zu gerne
die Frage: Wie komme ich zur Fähre?
Auch F. J. Blümling, war als achtjähriger
Bub an diesem Unterfangen emsig beteiligt.
Wir hatten in dieser wirren Zeit in Neef
kaum Schulunterricht, da die Baufirma
Mayer das Schulgelände und auch einige
Unterrichtsräume für Zuarbeiten zur
Brückenreparatur in Anspruch genommen
hatte.
Wir Kinder hatten dagegen nichts
einzuwenden. Ich wohnte ganz in der Nähe
des Bahnhofes, und war umgehend im
Einsatz, wenn ein Zug ankam. Wenn mich
also jemand ansprach: Wie komme ich
zur Fähre? war das Geschäft so
gut wie abgeschlossen, und die Kasse
klingelte. Das rege Tagesgeschehen
beschäftigte mich sogar noch in der
Nacht. So bin ich einmal nachts durch
unser Haus geschlafwandelt und habe meine
Tante, die aufgeregt im Nachthemd
erschien, gefragt: Wie komme ich
zur Fähre? Sie erzählte dies am
nächsten Tag prompt weiter, was
besonders meine Kumpels amüsierte.
Und Toni Ostermann aus Bremm,
ebenfalls noch ein Kind, hatte einmal
eine schwere Holzkiste voller Wein und
Schnaps transportiert. Der vierrädrige
Handkarren krachte zusammen. Und was
geschah nun? Ein anderer Transporteur
bekam eine zusätzliche Ladung und Toni,
der mit wenigen fünfReichsmark
abgefunden wurde, fuhr betrübt mit einem
dreirädrigen Fuhrwerk nach Hause.
Nun war er einige Tage ohne Einnahmen.
So schnell war kein Ersatzrad
aufzutreiben.
Aller Eifer und Einsatz war jedoch
nicht lohnend. Als am 22. Juni 1948 die
bisherige Reichsmark durch die Deutsche
Mark ersetzt wurde, hatte man das Geld
auf Sparkonten 1 : 10 abgewertet.
Ansonsten bekam jeder, der in den
Westzonen wohnte, für 60 Reichs-Mark
zunächst 40 Deutsche Mark und am 5.
September nochmals 20 D-Mark.
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