HISTORIA BREMVM - Die Geschichte(n) der Ortsgemeinde Bremm an der Mosel
Von Lohschälern, Lohmüllern und Gerbern und warum man die Bremmer „Knutze“ nennt
    von Franz Josef Blümling
Lohschäler bei der Arbeit
 
Zur Herstellung von Leder brauchte man in früherer Zeit Lohe – auch Luhe genannt. Das war die Rinde von jungen Eichen mit der darin enthaltenen Gerbsäure. Bevorzugt im Frühjahr, wenn der Baum im Saft stand, entfernte man die Rinde vom Stamm der etwa 20 Jahre alten Eichen mit einem Lohlöffel. Die kahlen Stangen wurden abgeschlagen und fanden als Brennholz Verwendung. Am Boden entstanden wieder neue Austriebe, die dann später wieder zur Schälung genutzt wurden.

In einigen Gegenden wurden auch die abgeholzten Waldstücke „gebrannt“, um die kleinen Äste zu beseitigen, Unkraut zu vernichten und mineralischen Dünger zu gewinnen. Im Mai pflanzte man dann Kartoffeln, im zweiten Jahr Wintergetreide (Roggen) und im dritten Jahr Sommergetreide (Hafer, Gerste, Buchweizen) zwischen die schon austreibenden Wurzelstücke. Danach nahm der Aufwuchs der jungen Eichen wieder Platz ein.

Die Flächen zur Lohernte stellte die Gemeinde als sogenanntes Rottland zur Verfügung. Dieses war in einzelne Rottmarken aufgeteilt und wurde den Bürgern zugelost.

Hatte man die Lohe nach Hause gekarrt, trocknete man sie in der Scheune. Nach der Lagerung wurde sie in Bürden zu etwa 40 Pfund zusammengebunden.

Dann brachte man die Rindenstücke zur Lohmühle und verkaufte sie dem Lohmüller. Dieser häckselte und mahlte sie, um sie danach in kleinen Blöcken an Gerbereien weiter zu verkaufen.

Dorthin hatten Metzger und Viehhalter Felle ihrer geschlachteten Tiere verkauft. Diese wurden dann, nachdem man sie zuvor enthaart hatte, zusammen mit der Loh-Konstanz in eine mit Wasser gefüllte Grube gelegt. Nach ein paar Tagen entstand eine gerbsäurehaltige Brühe. Diese baute die eiweißhaltigen Stoffe der Haut ab. Die Häute wurden getrocknet und konnten dann als Leder verarbeitet werden.

Die übrig gebliebene ausgelaugte Lohe wurde getrockneten und gepresst. Der so entstandene Lohkuchen diente zum Ofenanzünden und auch zur Feuerung. Zudem fand er Verwendung in der medizinischen Behandlung von Hautkrankheiten.

Nachdem die amerikanischen Tannen einen noch besseren und billigeren Gerbstoff lieferten (seit etwa 1875) und schließlich nach der Entwicklung synthetischer Gerbsäuren (nach 1900), flachte die Bedeutung der heimischen Eichenlohe nach und nach bis hin zur Bedeutungslosigkeit ab. Die letzte Lohe wurde in den Moselhängen 1945 / 1946 geschält.

In Köln gab es anno 1746 die stattlich Anzahl von 57 Lohhöfen. Heute erinnern nur noch einige „Lohmühlen“ als Ausflugslokale an ihre frühere Blütezeit.

Als den Gerbereien die chemischen Hilfsmittel als Folge der Nachkriegswirren fehlte, besann man sich der alten Traditionen – allerdings nur für eine kurze Zeit. Die Gerbereien sind auf eine geringe Anzahl von Großbetrieben mit neuesten Verfahrenstechniken zusammengeschrumpft. Und dorthin werden die Felle zumeist von Schlachthäusern aus dem In- und Ausland in Containern angeliefert. 1870 bestanden im Trierer Lande 300 Gerbereien, 1898 waren es 113 und 1903 43 Betriebe. Heute gibt es nur noch 3 Gerbereien in Regierungsbezirk Trier – im Regierungsbezirk Koblenz gibt es keine einzige mehr.

  Viele Familiennamen erinnern uns heute an die Zeit, in der die Lohe, deren Verarbeitung und Verwendung, eine solch große Bedeutung hatte. Als man allgemein die Familiennamen einführte, nannte man sich vielfach auch nach seiner Tätigkeit. So gibt es recht häufig die Familiennamen wie Luhe, Luhmann, Luhberg, Luhheck, Luerer, Lohe, Lohmann, Lohmüller, Lohmacher, Löhrer, Gerber und viele andere mehr.

Die Lohe war ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor in den Moselgemeinden. Besonders in armen Zeiten konnte sie finanzielle Engpässe überwinden helfen.

Eine recht spezielle und amüsante Geschichte wird uns nun aus dem Weinort Bremm an der Mosel überliefert:

Die Leute in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg waren in Bremm, wie eigentlich allerorts in der Gegend zwischen Hunsrück und Eifel, noch ärmer als die Mäuse in der Kirche. So konnte die Arbeit in der Lohheck manchem Winzer, der sich mit seiner Weinernte kaum ernähren konnte, ein finanzielles Loch stopfen. Man zog mit großem körperlichen Einsatz eine Karre zur weit entfernten Lohheck oben auf dem Berg. Proviant, Kleidung, Säge, Häp (Hippe – beilähnliches Gerät), Loheisen und vielleicht sogar eine alte Matratze hatte man aufgeladen. Die An- und Abmärsche waren sehr zeit- und kraftaufwendig.

Um diesen Aufwand auf ein halbwegs erträgliches Maß zu reduzieren, verbrachte man nicht selten einige Tage und Nächte draußen in Gottes freier Natur. Da kam es durchaus schon einmal vor, dass jegliches Zeitgefühl abhanden kam. Und genau das widerfuhr einigen Männern, die weit entfernt vom Dorf tagelang Lohe geschält hatten. Vollgepackt mit der wertvollen Fracht kämpften sich die müden und unrasierten Gestalten nach tagelanger Einsamkeit über schlechte und tiefgleisige Wege zum Tal hinab. Ab und zu wurde noch einmal eine Rast eingelegt und der Rest des „Fluppes“ (legendärer Haustrunk der armen Winzer, der aus den aufgeweichten Tresterresten gepresst wurde) hinuntergekippt. Dann ging es weiter. Nach stundenlanger, kräftezehrender Fahrt bogen die Männer schließlich mit dem knarrenden und ächzenden Gefährt über holpriges Kopfsteinpflaster ins Dorf ein – und landeten, o Schreck! – mitten in der Fronleichnamprozession. Das war so nicht gewollt! Der Bremmer Pastor nahm dies jedoch höchst verärgert wahr.

Und als man sich zum Ausklang der Prozession noch einmal feierlich in der Kirche versammelte, machte sich Hochwürden Luft und donnerte vom Altar aus, noch bevor er seine Schäfchen mit dem Segen verabschiedete: „ Wo annere Leut die Köpp han, habt ihr Knutze! (Damit meinte der Pastor die Lohe. Als Knutze bezeichnet man noch heute grobe Holzstücke.) Eine Karre voll Lohe ist euch armen Sündern wichtiger, als die Heiligmachende Gnade!“ Seit her werden die Bremmer „Knutze“ genannt.

Diese Lohlöffel wurden im Umfeld des Neefer Hochkessels gefunden.
 
Weitere historische Fotos finden Sie im
Alten Fotoalbum von Bremm an der Mosel
Literaturquelle(n)
Rolf Goergen   Ihre Bremmer Knutze
Reinhold Schommers   St. Aldegund an der Mosel
Willi Steffens   Vom Lohschälen in der Eifel
 
Bildquelle(n)
Franz Josef Blümling   Lohlöffel
Reinhold Schommers   Lohschäler
     
 
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Dieser Beitrag wurde verfasst von Franz Josef Blümling, Zell   Korrekturdatum:
Eventuelle Korrekturhinweise bitte an info@naves-historia.de   27.06.2009 RP
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