Ich möchte
hier ein Kriegserlebnis schildern, das
mir meine Mutter vor einiger Zeit
erzählte. Anders als in den Moselorten
direkt an der Bahnstrecke Koblenz
Trier wurde Bremm während des zweiten
Weltkrieges größtenteils von
Bombenangriffen verschont. Die
strategisch wichtige Bahnverbindung
entlang der Mosel wurde von den
Alliierten regelmäßig unter Beschuss
genommen. Schon im ersten der beiden
Weltkriege war die Moselstrecke zwischen
Berlin und Metz eine strategisch wichtige
Einrichtung. Der Begriff
Kanonenbahn zeugt davon. Und
auch die Nazis nutzten diese Linie für
ihren Frankreich-Feldzug.
Ein Großteil von Neef, 52 Häuser,
war einem alliierten Luftangriff vor
Weihnachten 1944 zum Opfer gefallen.
Franz Josef Blümling berichtet in seiner
Chronik für
Neef davon.
Die Eisenbahnbrücke bei Eller wurde
erst im Jahre 1945 von deutschen Truppen
auf dem Rückzug vor den Amerikanern
gesprengt. Vorangegangen waren eine
große Anzahl von Versuchen die
Eisenbahnbrücke mit mehr oder weniger
gut gezielten Bombenabwürfen zu treffen.
Diese konnten die Brücke aber nie
gänzlich zerstören.
Bremm liegt eigentlich weit genug
abseits, doch sollte eine Bombe auch hier
für Zerstörung sorgen.
Nach den Erinnerungen meiner Mutter
war es kurz vor oder nach Weihnachten.
Sie besuchte mit ihrer Mutter Maria die
Großmutter, die damals in dem der
Bremmer Pfarrkirche am nächsten
gelegenen Haus wohnte. Frisch gebackene
Streuselkuchen standen auf dem Tisch vor
dem Fenster in der kleinen Küche. Das
frische Gebäck verbreitete einen
angenehmen Geruch im ganzen Haus. In
dieser armen Zeit war es für die meisten
nicht selbstverständlich, Kuchen zu
backen, auch wenn ein Fest ins Haus
stand.
Kurz darauf erschütterte eine starke
Explosion das Haus gegenüber der
heutigen Pfarrbücherei. Die unmittelbar
nachfolgende Druckwelle ließ die Fenster
in der kleinen Küche bersten. Die
Erwachsenen im Raum wurden zu Boden
geworfen. Augenblicklich versuchten sie,
sich unter dem Küchentisch in Sicherheit
zu bringen. Meine Mutter, damals erst
dreieinhalb Jahre alt, stand etwas
abseits und hatte die Explosion, die
Erschütterungen und das Bersten des
Fensterglases zwar mitbekommen, war aber
noch zu klein um die Vorkommnisse richtig
einzuordnen zu können. Da meine Mutter
nicht von der Druckwelle erfasst worden
war, blieb sie stehen, bis ihr die beiden
erwachsenen Frauen bedeuteten, sich
ebenfalls zu ihnen unter den Tisch auf
den Boden zu legen, da sie davon
ausgingen, dass noch weitere Bomben
fallen würden.
Dann war es für einige Minuten ganz
still. Als nach einiger Zeit keine
weiteren Explosionen und auch keine
Flugzeugmotoren mehr zu hören waren,
wagte man es schließlich, sich
umzusehen. In der Küche herrschte ein
ziemliches Durcheinander: Töpfe und
Pfannen lagen auf dem Boden; ebenso wie
einiges Geschirr, eben noch im Schrank
war es auf dem Steinfußboden
zersplittert. Vorhänge und Gardinen
waren von den Stangen gerissen. In der
zuvor vom Backen noch gut aufgeheizten
Küche war es kalt geworden. Durch die
geborstenen Fenster strömte nun die
kalte Dezemberluft in den Raum. Im ganzen
Raum lagen die Scherben aus Fensterglas
herum. Auch die Kuchen hatten unzählige
Splitter abbekommen. Unzählige kleine
Glassplitter lagen wie Zucker auf den
eckigen Blechen.
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Nach und
nach trauten sich einige mutige Bremmer
auf die Straße. Einige hatten die
Explosion auf der Straße mitbekommen,
andere wiederum konnten sich noch in die
Keller flüchten. Bald war klar, dass die
Explosion keine Verletzten oder gar Tote
gefordert hatte. Es gab einige Schäden
an den der Kirche nahe gelegenen
Gebäuden. Dort waren alle Fenster
geborsten. Schnell stellte man fest,
dass die Kirche einen Treffer abbekommen
haben musste. Auf der dem Dorf
abgewandten Seite musste etwas geschehen
sein. Und so war es auch: Eine
Fliegerbombe war direkt neben dem
Kirchenschiff auf dem Friedhof
aufgeschlagen und detoniert. Dabei hatte
sie einen tiefen Krater in den
Friedhofteil gerissen, in dem damals die
Kinder beerdigt wurden. So war unter
anderem das Grab des schon als Säugling
gestorbenen Bruders meiner Mutter nicht
mehr auffindbar.
Auch ein Teil der Kirchenwand in
Richtung Calmont war betroffen.
Sämtliches Fensterglas war aus den
Fassungen der Rundbogenfenster
herausgerissen worden. Die Orgel hatte es
ebenfalls böse erwischt. Es gab zwar
keinen Brand, doch die Kirche war vorerst
nicht nutzbar. Als Folge musste der
damalige Pastor Nikolaus Klein die
Gottesdienste notgedrungen jahrelang im
großen Keller der Familie Amlinger in
der Moselstraße abhalten.
Wie andere Anwohner der Kirche später
berichteten, seien nach der Explosion die
Gebeine der Verstorbenen durch die Luft
geschleudert worden und dann auf den
Dächern der umliegenden Häuser
gelandet. Ein schauriges Erlebnis für
alle, die es mitgemacht haben.
Einige Zeit später wurde vermutet,
dass der Bombenabwurf auf Bremm nur
geschehen ist, weil der Pilot des Bombers
seine Bombenlast abwerfen musste, wäre
er doch sonst mit seiner Maschine wohl am
Berg zerschellt .
Wäre die Bombe nur wenige Meter
weiter in Richtung Dorf detoniert, hätte
man wohl sehr viele Bremmer, auch meine
Mutter, zu den Opfern zu zählen müssen
und diese Geschichte hätte viellcicht
ein anderer aufgeschrieben. Die
Pfarrkirche hat in diesem Fall also
größeres Unheil von Bremm abgewendet.
In Bremm ist während des zweiten
Weltkrieges niemand durch Bombeneinschlag
zu Schaden oder zu Tode gekommen obwohl
hie und da ein Sprengkörper auf Bremmer
Gemarkung niederging.. Wenn aber die
Flugzeuge der Alliierten wieder einmal
die Bahnstrecke Trier Koblenz im
Visier hatten und sich Sekunden bevor sie
über den Moselhöhen auftauchten durch
ihre Motorengeräusche verrieten, dann
brachten sich die Einwohner der Moselorte
und somit auch in Bremm, zumeist in ihren
Weinkellern in Sicherheit. Andere
wiederum hatten sich eigene Bunker in den
bewaldeten Hängen oberhalb des Dorfes
gegraben. Dort harrten die Menschen dann
teilweise tagelang aus. Einige dieser
Bunker waren sogar mit Herd und anderen
Gerätschaften ausgestattet. In Bremm
lagen sehr viele dieser Bunker entlang
des Kandelbaches.
Aber das ist wieder eine andere
Geschichte, die so hoffe ich, auch jemand
in die Chronik der Ortsgemeinde Bremm
einbringen wird.
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