Während des
gesamten Mittelalters waren bevorzugt
Weinberge im Besitz von Klöstern und
Kirchen. Wein war für den Klerus einmal
zum zelebrieren der Messe unabkömmlich -
wurde aber auch ansonsten im Alltag und
zu mancherlei Feierlichkeiten recht gerne
kredenzt. Nun lagen die Weinberge für
die Besitzer oft in weiter Ferne. Der
Transport von Weinfässern auf Karren war
nichts anderes als Mühe und Gefahr. Die
Straßen waren holprig und überall
lauerten Wegelagerer, Räuberbanden und
Strauchdiebe auf beladene Fuhrwerke.
Wesentlich sicherer war der Transport
auf Flüssen und so hatte sich der Beruf
der Halfen gebildet. Halfen waren starke,
grob besaitete Kerle mit eigener Tracht
und großen Schlapphüten, die sie immer
auf einem Ohr sitzen hatten. Mit einem
Pferdegespann zogen sie vom Leinenpfad,
auch Rittweg oder Treidelpfad genannt,
beladene Schiffe flussaufwärts. Dabei
mussten der Schiffer und der Halfe eine
gut abgestimmte Gemeinschaft bilden.
Für die Jahre 1056 bis 1096 wird dem
St. Simonstift in Trier Weinbergsbesitz
in Bremm bestätigt. Auch sonst wo im
Gebiet der Mittelmosel hatte St. Simon
Weinberge. So wird vermutlich in der
Halfenwirtschaft im damaligen Leimen (zwischen
Ediger und Nehren) ein Kontrakt
geschlossen worden sein, wonach ein
Sammeltransport nach Trier ausgehandelt
wurde.
Hierzu gehörte die Aufteilung des
baren Geldes und die Übernahme der
Zehrung auf der gesamten Reise. Für die
freie Rückkehr des Halfen in die Heimat
hatte der Schiffer zu sorgen, der auch
die Kosten für die Unterhaltung der
Pferde zu tragen hatte. Als Besiegelung
des gegenseitig verbindlichen
Einverständnisses gab der Schiffer nach
erfolgtem Handschlag den Winkoff (Wein
darauf). Den Wein trank man aus einem
großen Glas oder Holzbecher. Dazu aß
man nicht zu knapp Brot mit Butter und
Käse. Es ging dabei oft so laut zu, dass
man glauben konnte, es herrschte der
größte Streit.
Anderentags wurden dann auf der
anderen Moselseite im Pferdestall (noch
heutige Flurbezeichnung) die Pferde
gezäumt, das Schiff angeseilt und ab
ging der Ritt die Mosel hinauf. Recht
heimtückisch zeigte sich schon bald,
vorgelagert einer scharfen Flusskurve,
eine Sandbank, Stupa genannt. Hier war
größte Vorsicht angesagt, sonst lief
das Schiff auf. Oberhalb der Sandbank
lauerten dicht unter der Wasseroberfläche
schroffe Gesteinshinternisse, welche die
Schiffböden aufschlitzen konnten. An
solchen bedrohlichen Stellen bat man beim
hl. Nikolaus um Beistand. So wird es kein
Zufall gewesen sein, dass die Kirche des
vormaligen Klosters dem hl. Nikolaus
geweiht war.
Hatten in Bremm die Schröter alle zum
Transport anstehenden Weinfässer auf das
Schiff geschroten (mit einem speziellen
Schlitten geschleift), erscholl von dort
der Ruf: "In Gottes Namen!",
worauf der Halfe mit einem
durchdringenden Peitschenknall antwortete.
Nun flogen die Hüte von den Köpfen und
wurden zusammengedrückt unter dem linken
Arm gehalten. Dann sprachen die rauen
Männer ein kurzes Gebet für das gute
Gelingen des anstehenden Unternehmens.
Beim Schleppen wurde das am Schiff
befestigte Seil durch einen
kunstgerechten Knoten, der schwierig zu
lösen war und den Namen Halfenknoten
hatte, am Sielscheid (breiter Riemen um
die Brust der Pferdes) befestigt. An
diesem waren dann in der Regel zwei, bei
einen größeren Transport auch drei
Pferde, die hintereinander gingen,
angespannt. Der Halfe saß quer auf dem
mittleren Pferd. Beine und Gesicht hatte
er nach rückwärts gekehrt. So hatte er
immer das Schiff im Blick und erkannte
gleich eine Gefahrenstelle in dem Fluss.
Die linke Hand hatte er stets griffbereit
für den Bummes (Weinkrug) und für seine
Heeb (kleines Beil). Die Heeb war ein
ganz wichtiges Werkzeug.
Waren die Pferde einmal übermüdet
oder geriet das Schiff in eine starke
Strömung, so konnte es leicht vorkommen,
dass sie rückwärts gezogen wurden. In
dieser gefährlichen Situation hieb der
Halfe mit der Heeb das Seil durch.
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Zum
Wetterschutz führte er, außer
vielleicht einem Wettermantel, nicht viel
mit. Im grellen Sonnenstrahl trocknete er
fast aus. Dann war aber auch immer
schnell sein Bummes leer. Im Winter
dagegen fror er wie ein Schneider, und
dann war der Bummes nicht selten mit
Schnaps gefüllt. In der rechten Hand
hielt der Halfe die Geischel (Peitsche).
Diese hatte einen kurzen Leifer (Stiel),
einen geflochtenen Riemen, an dem ein
selbst gedrehtes, mit vielen Knoten
versehenes Hanfseil befestigt war. Mit
der Peitsche trieb er die Pferde an,
schlug sie aber selten, sondern fuchtelte
vor sich hin und her und knallte damit,
dass Berg und Tal widerhallten. Oft kam
es vor, dass beim Wechseln der Leinpfade
das Wasser durchquert werden musste oder
auch der Leinpfad unter Wasser stand, so
dass die Pferde schwimmen mussten. Der
Halfe blieb dabei ruhig sitzen,
unbekümmert darum, ob er vollständig
durchnässt wurde. Sollten die Pferde
besser anziehen, so rief der Schiffer vom
Schiff aus: "Leit rackt!" -
sollte gehalten werden, ertönte der Ruf:
"Holon!" Die erste
Übernachtung fand in der
Halfenwirtschaft in Reil statt. Nach
Einstellung und Fütterung der Pferde
reihten sich Halfen, Schiffer und auch
andere Berufskollegen um die schweren
Eichentische und tranken "immer noch
eins!" Dabei saßen sie fast liegend
an den Tischen, die Ellenbogen
aufgestützt, den breitkrempigen Hut auf
dem ungekämmten Haar und tranken
abwechselnd das rundgereichte Gefäß mit
einem Zuge aus, schenkten ein und
reichten weiter. Das Essen kochte die
Schiffersfrau auf dem Schiff. Die Halfen
trugen es in sogenannten Marmitten (blechernen
Doppelgefäße mit Handgriff) zum
Wirtshaus, wo es mit großem Appetit
verzehrt und mit einem zusätzlichen Maß
Wein (2 Liter) begossen wurde. Schwer
beladen, schwankend und trunken, ging man
zu Bett. Die Halfenwirtschaften machten
stets gute Geschäfte, und wegen der
großen Zeche war das Nachtquartier
durchweg frei.
Noch stark benommen von der Zeche am
Vorabend, standen Schiffer und Halfe in
aller Frühe auf, und während des
Anziehens wurde jedem ein großer Schnaps
gereicht. Dann folgte nach der Fütterung
der Pferde ein üppiges Frühstück, und
man trank dazu 1/2 Maß Wein.
Nach Tisch wurde die Weiterreise
angetreten und gegen 10 Uhr kurze Rast
gemacht und wieder 1/2 Maß Wein auf den
Mann getrunken.
Entlang der Mosel stand den Halfen
nach jedem Tagesritt in geregelten
Abständen eine Station wie in Leimen und
in Reil zur Verfügung. Stets spielte
sich das gleiche Szenarium ab.
Schließlich in Trier angekommen, gab
man dem Wirt schon vom Pferde aus durch
knallende Peitschenhiebe bekannt, wie
viel Wein er parat zu stellen hatte.
Besonders dann, wenn die Reise ohne
Unfall verlief, gab es ein ganz großes
Zechgelage, wobei der Halfe auf Kosten
des Schiffers nach Belieben trinken
konnte.
Noch in einem berauschten Zustand
wurde die Heimreise angetreten. War es
für den Schiffer leicht, mit seinem
Schiff flussabwärts in wenigen Tagen
wieder in Leimen zu sein, so benötigte
der Halfe doch einige Zeit mehr für
diese Strecke. Sein Rosse waren mehr
stark als schnell.
Letztendlich saß man im Leimenhof in
alter Manier wieder zusammen und wartete
auf den nächsten Auftrag.
Außer dem Trinken bzw. Saufen
verstand der Halfe noch ein zweites
äußerst gut - das Fluchen. Unter Bezug
auf diese Eigenschaft hat sich die
sprichwörtliche Redensart gebildet:
"Der flucht wie ein Halfe!" -
aber auch: "Der säuft wie ein Halfe".
Bei den Damen müssen die Halfen hoch
im Kurs gestanden haben. So wird
überliefert, dass ein Fräulein Tochter
aus einem vornehmen Haus in eine
gute Partie verheiratet
werden sollte. Sie protestierte heftig:
En handfeste Halfe will ich hann
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